Im September 2020 ist eine innovative Holzpelletieranlage in Ernen im Oberwallis in Betrieb gegangen. Das Besondere daran? Schnyder Ingenieure haben hier gemeinsam mit Forst Goms Pionierarbeit geleistet und technische Herausforderungen überwunden. Durch die Kopplung mit einem Wasserkraftwerk konnte die Produktionsanlage dank eines Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) realisiert werden. Über die Erfolgsfaktoren berichten Willy Werlen, Geschäftsführer bei Valais Pellets, und Andreas Jäger, Bereichsleiter bei Schnyder Ingenieure, Teil der Amstein + Walthert Gruppe.
Eine «Spinnerei» wird zum Erfolgsprojekt
Im September 2020 ist die Holzpelletieranlage als erste Etappe des Energiepark z’Brigg in Betrieb gegangen. Ursprünglich zur Abwärmenutzung einer Biogasanlage projektiert, ist das Vorhaben im Winter 2016/17 aufgrund veränderter Rahmenbedingungen fast komplett gescheitert, da die Biogasanlage nicht mehr wirtschaftlich hätte betrieben werden können. «Aus dieser Not heraus musste eine alternative Lösung entwickelt werden. Der Businessplan und die Potenzialanalyse wurden überarbeitet und wir haben gemerkt, dass das Pelletwerk auch ohne Abwärmenutzung einer Biogasanlage wirtschaftlich betrieben werden kann», erzählt Willy Werlen. Hauptkostenpunkt beim Pelletwerk ist neben dem Grundstoff Holz der hohe Stromverbrauch der Anlage von rund 1 Mio. kWh pro Jahr, was ungefähr dem Jahresverbrauch von 300 Haushalten entspricht. Wo also den Strom zu einem günstigen Tarif hernehmen? Durch den Austausch und das starke Netzwerk mit der energieregionGOMS entstand hier die Idee, den Strom des nahe gelegenen Wasserkraftwerks zu nutzen.
«Den erneuerbaren Strom für eine Produktionsanlage direkt ab Kraftwerk über einen ZEV zu beziehen und nicht über das öffentliche Netz - das hat Pioniercharakter.»
Trotz vereinzelter technischer Herausforderungen war die Dimensionierung der benötigten Leitungen und Trafostation für die beauftragten Schnyder Ingenieure dank ihrer Erfahrung mit solchen Aufgaben Routinearbeit. Für Bereichsleiter Andreas Jäger besteht die Innovation bei diesem Projekt viel eher in der Idee, die Energie direkt zu verwenden, nicht über das öffentliche Netz, sondern unmittelbar über ein Kabel vom Wasserkraftwerk direkt zur Produktionsanlage. Hier neue Wege zu gehen, das Instrument ZEV neu zu denken und ein Wasserkraftwerk mit einem benachbarten Industriewerk zu koppeln, zeichnet für ihn dieses Projekt aus.
Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV)
Unter Eigenverbrauch wird die Nutzung von Strom am Ort der Produktion verstanden. Innerhalb eines ZEV können sich mehrere Endverbraucher zusammenschliessen und so möglichst viel des produzierten Stroms selbst verbrauchen, auch über angrenzende Grundstücke hinweg. Dabei darf das Netz des Netzbetreibers nicht genutzt werden. Bisher wird bei den meisten solcher Zusammenschlüsse Solarstrom genutzt, um den Eigenverbrauch zu erhöhen z.B. bei Mehrfamilienhäusern, Arealen oder ganzen Quartieren.
In unserer Kundenzeitschrift zB haben wir das Thema ausführlich erläutert:
Lokale Wertschöpfung und Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen
Eindrücklich und aussergewöhnlich ist, dass in diesem Projekt alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Gesellschaft und Wirtschaftlichkeit – gleichermassen berücksichtigt wurden. Willy Werlen sieht den Erfolg hierfür in der Tatsache, dass von Anfang an die lokale Wertschöpfung im Zentrum stand. Die Gründung eines ZEV mit dem benachbarten Wasserkraftwerk garantiert langfristig günstige Strompreise ohne Netznutzungsgebühren und ermöglicht damit den wirtschaftlichen Betrieb des Pelletwerks. Durch den Bezug von erneuerbarem Strom, die Verwertung von lokalem Holz und den Verkauf der Holzpellets an regionale Kund*innen wird unter ökologischen Aspekten die graue Energie entlang der gesamten Produktionskette minimiert. Besonders wichtig ist für Willy Werlen, Geschäftsführer bei Valais Pellets, auch die gesellschaftliche Komponente: durch das Pelletwerk mit regionalem Fokus konnten hier attraktive Ganzjahresarbeitsplätze geschaffen werden, die es ermöglichen z.B. auch Familien in der Region zu halten – ein grosser Pluspunkt in dieser eher strukturschwachen Region. «Ein grossartiges Beispiel für ein Projekt, das von A bis Z zu Ende gedacht ist», ergänzt Andreas Jäger.
Herausforderungen annehmen und neue Wege gehen
Die Kopplung der Produktionsanlage mit einem Wasserkraftwerk birgt einige technische und betriebliche Herausforderungen. Insbesondere da bei diesem Projekt bewusst auf eine redundante Stromversorgung verzichtet wurde. Somit hat das Pelletwerk nur dann Strom, wenn das benachbarte Wasserkraftwerk in Betrieb ist. Das erfordert Flexibilität beim Betrieb. «Die planmässigen Unterbrüche des Kraftwerks hatten wir von Anfang an gut im Griff. Anders hat es zu Beginn mit den ausserplanmässigen Unterbrüchen (die zum Glück sehr selten vorkommen) ausgesehen. Hier konnten wir aber auch mit der Expertise der Schnyder Ingenieure den Regelbetrieb in den Griff bekommen», berichtet Willy Werlen. Für diese Fälle wird über eine Notstrom-Versorgung ab Netz unter anderem die Holzschnitzelfeuerung für die Pellettrocknung kontrolliert heruntergefahren, bis wieder Strom vom Kraftwerk zur Verfügung steht.
«Nicht immer sind die Projekte erfolgreich, bei denen man es auf den ersten Blick gedacht hätte. Deshalb: immer wieder unvoreingenommen in Projekte reingehen und vielleicht auch zu Beginn eine Spinnerei erst einmal zulassen. Das war in diesem Projekt der Schlüssel zum Erfolg.»
Willy Werlen wünscht sich, dass sich auch weitere Produktionsstandorte inspirieren lassen, ihren Strom vielleicht über einen ZEV zu beziehen und vor allem die Bereitschaft bei Projekten neue Wege zu gehen, sich auf die gemeinsame Lösungssuche einzulassen, dran zu bleiben und sich, wo nötig, kompetente Partner an die Seite zu holen.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie in der Publikation Lokale Stromproduktion und Verbraucher koppeln im Fachmagazin eTrends.
Und sollten auch Sie auf der Suche nach einer nachhaltigen Energie-Lösung sein, möglichst CO2-neutral, erneuerbar und regional, dann unterstützen wir Sie gerne, z. B. in der Planung eines ZEV.