Beim Amstein + Walthert Forum zur Digitalisierung durften wir Alexander Muhm, den Leiter SBB Immobilien, zum Thema Veränderungen interviewen.
Ihr Statement zum heutigen A+W Forum lautet: «Wer sich auf die Veränderungen der Zukunft heute nicht einstellt, verpasst den Anschluss» – Wie dürfen wir das verstehen?
Ich würde diese Frage gerne mit einem Vergleich beantworten: Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass sich die Musikbranche durch die Möglichkeiten der Digitalisierung komplett wandeln würde und heute ein Unternehmen, das in seiner Kernkompetenz Computer baut und Software programmiert, den Musikmarkt «bestimmt»? Ein schöner Vergleich, um dieses «den Anschluss verpassen» greifbarer zu machen.
Ich bin davon überzeugt, dass die Digitalisierung im Bauwesen massiv unterschätzt wird und dass die Baubranche, wenn wir uns nicht jetzt auf die Entwicklungen der nächsten zehn Jahre einstellen, den Wandel nicht mehr schaffen wird. Eine grosse Verantwortung tragen die Bauherren. Wir stellen fest, dass vor allem die Bestellungskompetenzen fehlen, wodurch sich die Bauindustrie, die Planer und Bauunternehmer der Schweiz noch sehr zurückhaltend mit dem Thema befassen. Frei nach dem Motto: Wenn «es» niemand nachfragt, brauchen wir «es» auch nicht zu liefern. Diese Haltung versetzt die Schweiz in einen Rückstand gegenüber anderen Ländern, die bereits über breite Erfahrungen verfügen. Wir müssten jedoch heute beginnen, gemeinsam die Standards der Zukunft zu gestalten, sonst verpassen wir den Anschluss und werden gestaltet … zumindest die, die dann noch da sind.
Was wäre der Worst Case, wenn wir nicht heute beginnen?
Die Frage ist, für wen der Worst Case: für die Bauherren, die Planer, die Baufirmen oder die gesamte Volkswirtschaft? Wenn ich für die zuliefernde Baubranche das Schreckensszenario beschreiben müsste, dann bestellen die Schweizer Bauherren zukünftig nicht mehr bei den Schweizer Bauunternehmern, sondern im nahen Ausland. Dadurch würden jährlich ca. 60 Milliarden Schweizer Franken an Wertschöpfung ins Ausland abwandern.
Welche Massnahmen und Instrumente braucht es in den Unternehmen, um diesen Weitblick zu haben?
Kulturelle Hürden versperren hier den Weg. Wenn wir uns kulturell nicht darauf einstellen, dass Veränderung eine Chance ist, dann wird diese nicht angestossen und die Unternehmen bleiben im Status quo hängen. Ich habe immer wieder Diskussionen mit Planern und Bauunternehmern, die der Meinung sind, für die Digitalisierung später Zeit zu haben. Ich frage mich, wann das sein soll. Der Wandel muss jetzt angestossen werden und wir müssen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür gewinnen. Die Kehrseite der digitalen Euphorie darf jedoch nicht vergessen werden. Soviel Realist erlaube ich mir zu sein: Die Spreu muss vom Weizen getrennt werden. Nicht alles, was nach digital schreit, ist dann auch wirklich für alle notwendig. Jedes Unternehmen muss für sich herausfinden, wo Verbesserungspotentiale entstehen und den Mehrwert für den eigenen Betrieb erarbeiten. Das ist eine immense Herausforderung, für das Management wie auch die agierenden Fachleute.
Wie schaffen wir es, dass sich unsere Mitarbeiter weg vom Gewohnten in dieses neue, unbekannte Terrain begeben?
Der Kulturwandel muss durch das Management herbeigeführt werden, man muss die Leute heranführen und Freude sowie Begeisterung für die Veränderung erzeugen.
Meine Lieblingsgeschichte in diesem Zusammenhang ist die der Firma Kodak. Kodak als ehemaliger Weltkonzern hat die digitale Fotografie eigentlich erfunden, es aber nicht geschafft, in ihrem Unternehmen, das von Chemikern geführt wurde, den bevorstehenden Wandel der Industrie zu erklären: Weg von der Chemie, hin zu «Bits und Bytes». Dem Management muss es gelingen, die Belegschaft mitzunehmen, indem aufgezeigt wird, welche Herausforderungen bestehen und wohin es führen kann, wenn man sich den Veränderungen verschliesst. Ohne dabei jedoch Ängste zu schüren. Je früher man damit anfängt, desto mehr Zeit hat man für die Anpassung an die Zukunft.