Nachhaltige Vermögenswerte gewinnen immer mehr an Bedeutung und zahlen sich über die Zeit aus. Es ist deshalb für Immobilienbesitzer:innen besonders interessant, die Nachhaltigkeit ihrer Objekte zertifizieren zu lassen. Ein geeignetes Label dafür ist das Zertifizierungssystem DGNB, welches international anerkannt ist. Antoine Roch, DGNB Berater bei Amstein + Walthert Genf, erläutert im Interview die Besonderheiten der DGNB Zertifizierung und warum das Label Zukunft hat.
Antoine Roch, wo hat das DGNB Label seinen Ursprung und wofür steht es?
Bei der DGNB Zertifizierung handelt sich um ein Planungs- und Optimierungstool, welches die verschiedenen Beteiligten dabei unterstützt, die Gesamtleistung eines Bau- oder Umbauprojekts anhand der folgenden sieben Themenbereiche zu bestimmen: Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Aspekte, Planung, Technik, Prozesse und Standort.
Das im Jahr 2008 eingeführte Label ist ein von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) entwickeltes Zertifizierungssystem, um die Nachhaltigkeit von neuen und bestehenden Gebäuden wie Wohn- und Gewerbehäusern, Büro- und Verwaltungsgebäuden, Hotels oder Krankenhäusern zu bewerten. Hierzulande ist die Schweizer Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (SGNI) als Trägerorganisation für das Label verantwortlich. Die SGNI ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit von Immobilien und bebauter Umwelt entlang des gesamten Lebenszyklus zu fördern sowie sicht- und messbar zu machen.
Welche Besonderheiten bringt das Zertifizierungssystem mit sich?
Das DGNB System betrachtet alle Dimensionen eines Gebäudes und bewertet dessen Gesamtleistung. Es bietet die Möglichkeit, die Analyse auf bestimmte Bereiche zu fokussieren. Dies ist insbesondere bei Renovierungen von Vorteil, bei denen Altes neben Neuem bestehen bleibt.
Sowohl Neubauten als auch Bestandsobjekte werden mit einem Platin-, Gold- oder Silberzertifikat ausgezeichnet. Beurteilt wird die Qualität folgender Kriterien::
- Management und Prozess
- Ökologie
- Soziokultur und Funktionalität
- Ästhetik und Architektur
- Ökonomie
- Technik
- Standort
Zudem ist das DGNB Label ein Gütesiegel mit hohem Mehrwert und zählt neben BREEAM (Grossbritannien) und LEED (USA) zu den drei wichtigsten Bewertungssystemen weltweit.
Was bewegt Immobilienbesitzer:innen in der Schweiz dazu, ihren Bestand nach DGNB zu zertifizieren?
Nachhaltige Vermögenswerte gewinnen immer mehr an Bedeutung und zahlen sich über die Zeit aus. Bei der DGNB Zertifizierung hängt dies mit Regelungen der Europäischen Union zusammen: Die EU hat sich dazu verpflichtet, ein Ökosystem für nachhaltige Finanzen aufzubauen. Damit die 27 Mitgliedstaaten den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft bewerkstelligen können, müssen zwischen 2021 und 2027 1000 Milliarden Euro mobilisiert werden. Um bis 2050 die Klimaneutralität der EU zu erreichen, ist es von zentraler Bedeutung, dass vermehrt Investitionen in Nachhaltigkeitsprojekte getätigt werden. In diesem Zusammenhang gelten Richtlinien, die eine Investition als nachhaltig klassifizieren. Die DGNB Zertifizierung ist mit dieser europäischen Taxonomie vollständig kompatibel. Ein Schweizer Immobilienfonds mit einem europäischen und/oder schweizerischen Portfolio kann daher mit der Zertifizierung seine Investitionen in die europäischen Richtlinien integrieren. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn sich die Schweiz der Europäischen Union anschliesst. Zurzeit ist dies noch nicht der Fall.
Begleitet A+W Genf derzeit ein Bauvorhaben, das nach DGNB zertifiziert werden soll?
Wir agieren als DGNB Beraterin bei der Renovierung des Einkaufszentrums Grand Passage im Zentrum von Genf. Die historische Bausubstanz wird nicht in die Bewertung einbezogen, da die Massnahmen nur die Gebäudehülle und die Gemeinschaftsbereiche betreffen. Später werden wir auch die künftigen Mieter:innen beim Innenausbau begleiten.
DGNB-Zertifizierung in der Deutschschweiz
Auch in der Deutschschweiz begleitet Amstein + Walthert Bauprojekte, die eine Zertifizierung nach DGNB anstreben. Umgesetzte Projekte sind beispielsweise der Andreasturm in Oerlikon oder Baufeld D und Baufeld H an der Europaallee in der Zürcher Innenstadt.