Amstein+Walthert ist der Frage nachgegangen, ob die zunehmende Elektromobilität zu einer Veränderung der Risikolandschaft in unterirdischen Infrastrukturen führen wird. In einem internationalen Forschungsprojekt unter der Leitung von A+W wurde dazu ein innovatives Experiment mit mehreren Brandversuchen von Traktionsbatterien durchgeführt – mit bemerkenswerten Erkenntnissen.
Die Zukunft liegt im Untergrund
In Zeiten zunehmender Urbanisierung und der Tendenz, den Verkehr in den Untergrund zu verlagern, beobachten wir Tunnelfachleute die Elektromobilität mit besonderem Fokus. Wir stellten uns schon seit Langem die Frage: Führen Elektrofahrzeugbrände in Strassentunneln zu anderen Gefährdungen als herkömmliche Fahrzeugbrände und was sind mögliche Konsequenzen einer solchen Veränderung? Diese Wissenslücke wollen wir nun endlich schliessen. Deshalb hat A+W ein internationales Forschungsprojekt mit Unterstützung des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) und des französischen Centre d’Études des Tunnels (CETU) initiiert. Die Studie untersucht erstmals experimentell, ob der steigende Anteil von Elektrofahrzeugen aufgrund ihrer unterschiedlichen Energiespeichersysteme zu veränderten Gefährdungen in Strassentunneln führt.
Experiment mit innovativem Ansatz
Gemeinsam mit unserem Forschungspartner des Versuchsstollen Hagerbach (VSH) führten wir ein bislang einzigartiges Experiment in einer realen Tunnelumgebung durch. Dabei untersuchten wir die Auswirkungen einer typischen Lithium-Ionen-Batterie eines für den Verkehr zugelassenen Elektrofahrzeugs. Wir verfolgten einen Worst-Case-Ansatz und führten der Batterie maximale mechanische (Bsp. Crash) und thermische (Bsp. Brand) Beschädigungen zu. Während des Experiments hielten wir verschiedene optische und thermische Parameter fest. Unseren Hauptfokus richteten wir auf umfangreiche Schadstoffanalysen.
Die Gefahr liegt in der Chemie
Die Batteriebrände waren gekennzeichnet von einer sehr schnellen Energiefreisetzung und teilweise spektakulären thermischen Prozessen mit starker Rauchbildung. Die während des Experiments gemessenen Temperaturen (>700 °C) deuten zudem darauf hin, dass hochkapazitive Traktionsbatterien in der Tat äusserst energiereiche Brandquellen darstellen und in der Regel zu vollständigen Fahrzeugbränden führen. Sobald ein E-Fahrzeugvollbrand auftritt, unterscheiden sich seine thermischen Eigenschaften aber nicht mehr von denen eines herkömmlichen Fahrzeugbrandes. Ein E-Fahrzeugbrand bleibt schliesslich ein Fahrzeugbrand mit einer Brandleistung von ca. 5 MW. Darauf weisen auch andere experimentelle Studien hin.
Unsere Schadstoffmessungen belegen, dass aufgrund der chemischen Komponenten von Lithium-Ionen-Batterien in den Rauchgasen eines Elektrofahrzeugbrandes zusätzliche Stoffe enthalten sind. Diese sind zum einen sehr reaktionsfreudig und stellen zum anderen für den Menschen ein erhebliches gesundheitliches Risiko dar. Dazu gehören insbesondere Schwermetalle . Daher ist die Studie in der internationalen Tunnelfachwelt auf grosses Interesse gestossen. Bisher wurden Schwermetallemissionen bei E-Fahrzeugbränden nicht thematisiert, der Fokus lag praktisch ausschliesslich auf Fluorwasserstoff. Aufgrund der Dimensionen sowie der sicherheitstechnischen Einrichtungen in Strassentunneln kommen wir dennoch zu dem Schluss, dass sich die Gefährdungssituation für Tunnelnutzer kaum verändern wird und normgerechte Strassentunnel nicht umgerüstet werden müssen.
Konsequenzen für kleinere unterirdische Infrastrukturen
Die Studienergebnisse weisen auf potentielle Konsequenzen für andere, kleinere unterirdische Infrastrukturen hin, zum Beispiel Parkhäuser oder Garagen. Die untersuchten E-Fahrzeugbatterien würden in einem Parkhaus mit einem Volumen von 1’000 m3 und einer Luftwechselrate von 3/h zu Konzentrationen der beiden Schwermetalle Kobalt und Mangan führen, welche die sogenannten IDLH-Werte um das 55-fache bzw. 2-fache übersteigen. Aus wissenschaftlicher Sicht können wir hierzu zwar noch keine abschliessende Antwort geben. Planer und Betreiber solcher Infrastrukturen sollten sich aber dieser potentiell veränderten Risikolandschaft sowie der möglichen technischen Konsequenzen bewusst werden.
A+W wird dieses Thema weiterverfolgen und mit weiteren Experimenten und in enger Zusammenarbeit mit Berufsfeuerwehren und anderen Forschungsinstitutionen systematisch untersuchen.