Seit über fünf Jahren ist Michael Sollaris bei A+W tätig. Er begann seine Karriere 2013 im Bereich Bauphysik und Energieengineering. Nach einer ersten Berufserfahrung in Frankreich verbrachte er fünf Jahre im Vereinigten Königreich, bevor er sich unserer Unternehmensgruppe anschloss. Er leitet heute ein Team aus Bauphysikern und Akustikern und unterstützt Architekten und Bauherren bei der Optimierung der thermischen Hülle der Gebäude, der Implementierung effizienter Energiekonzepte und dem Komfort in den Bereichen Wärme, Akustik, Innenluftqualität, Tageslicht usw. Sein Kompetenzbereich umfasst auch den Bereich der Luftdichtheit, den die Schweiz im Vergleich zu den europäischen Vorgaben etwas zu vernachlässigen scheint. Wir haben diesem Fachmann der Ressourcen- und Benutzerkomfortoptimierung sechs Fragen gestellt.
Was haben Sie im Rahmen Ihrer vorherigen Erfahrungen speziell im Bereich Luftdichtheit gelernt, bevor Sie sich A+W angeschlossen haben?
In Frankreich und England ist dies ein wichtiges Thema. Die Dichtheitsprüfung ist bei jedem Neubau Pflicht und die Normen hinsichtlich der Energieleistung sind streng. Erstaunlicherweise sind in der Schweiz nur Gebäude mit Minergie-P-Zertifizierung oder internationalen Labels von diesen Vorgaben betroffen. Sie betrifft nicht einmal die Gebäude nach Minergie-Standard. Obwohl die Kosten im Verhältnis zum Gesamtbudget eines Projekts vernachlässigbar sind, bieten die Prüfungen einen echten Mehrwert hinsichtlich der Energieeffizienz und der Gebäudehygiene. In unserem Kanton erreicht ein hoher Anteil der Gebäude nicht die von der Norm SIA180 geforderten Dichtheitsgrenzwerte. Dabei geht man davon aus, dass 15 bis 20 % der Wärmeverluste eines Gebäudes – d. h. ca. 15 % der Heizkosten – durch die ungenügende Luftdichtheit verursacht werden könnten. Die systematische Durchführung dieser Prüfungen in unserem Land hätte massgebliche Auswirkungen, nicht nur auf die Energieleistung, sondern auch auf den Komfort und die Lebensqualität der Gebäudebewohner.
Woraus besteht eine Luftdichtheitsbewertung?
Unser Ziel ist die Einschränkung von unerwünschten Luftinfiltrationen, die oft auf Baufehlern beruhen, z. B. schlecht abgedichteten Leitungsdurchführungen oder ungenau eingesetzten Fenstern. Diese Infiltrationen führen zu Energieverlusten, verursachen aber auch Probleme hinsichtlich des Wärmekomforts, mögliche Kondenswasser- und Schimmelbildung sowie Beeinträchtigungen der Innenluftqualität mit potentiellen Folgen für die Gesundheit der Gebäudebewohner. In technischer Hinsicht besteht die Messung der Luftdichtheit aus der Druck- oder Unterdruckbeaufschlagung eines bestimmten Bereichs eines Gebäudes anhand eines Blower-Door-Geräts, mit dem das Vorhandensein unkontrollierter Luftinfiltrationen festgestellt werden kann. Wir orten diese Lecks und messen den Luftstrom. Wir messen den Leckluftstrom anhand eines Differenzdrucks von 50 Pascal (Masseinheit für Druck) zwischen Innen- und Aussenbereich. Auf diese Weise können wir recht einfach die möglichen Lecks ermitteln. Der Kunde erhält dann einen detaillierten Prüfbericht einschliesslich unserer Empfehlungen, um den Bauherrn oder Architekten bei der Behebung der festgestellten Mängel zu unterstützen.
Wie ist Ihr Verhältnis mit den Lüftungsexperten? Arbeiten Sie zusammen?
Das Lüftungsengineering ist ein eigenständiges Gewerk. Als Bauphysiker bemühen wir uns, unerwünschte Luftinfiltrationen zu beseitigen, während die CVC-Fachleute sich mit dem Einbringen von Frischluft in die Innenbereiche befassen. Daher ergänzen sich unsere Gewerke, um den Bewohnern ein gesundes Gebäude mit einer hochwertigen Innenluftqualität zu bieten. Gelegentlich kreuzen sich unsere Wege, wenn ihre Leitungen durch Fassaden führen und potentielle Infiltrationspunkte bilden. Wir unterbreiten den Belüftungsingenieuren unsere Empfehlungen, damit sie die Abdichtung ihrer Kanäle sicherstellen.
Welche Gebäude sind von der Luftdichtheitsprüfung betroffen?
In der Schweiz muss für alle Neubauten mit Minergie-P-Zertifizierung zwingend eine Luftdichtheitsprüfung durchgeführt werden, unabhängig davon, ob es sich um gewerbliche oder Wohngebäude handelt. Einige Kantone erwägen, diese Prüfungen grundsätzlich bei der Einrichtung neuer Kälteanlagen zu fordern. Wir führen auch Sachverständigengutachten an bestehenden Gebäuden durch, meistens bei Beeinträchtigungen des Wohnkomforts, Durchzug, Geruchsbelästigung oder Kondenswasserbildung, insbesondere in gekühlten Bereichen.
Ich möchte hier gerne noch einen anthropologischen Aspekt ansprechen: Ist ein absolut luftdichtes Gebäude wirklich gut für seine Bewohner?
Ja, aber nur bei einem ordnungsgemässen Lüftungsmanagement. Ziel ist nicht die absolute Abdichtung ohne Frischluftzufuhr. Wir trachten danach, unkontrollierte Infiltrationen zu vermeiden, ohne dabei die ordnungsgemässe Lüftung zu beeinträchtigen – unabhängig davon, ob es sich um eine mechanische oder natürliche Lüftung durch Öffnen der Fenster handelt. Eine gut geplante mechanische Lüftung bringt Frischluft in die Räume und führt die verbrauchte Luft nach aussen ab. Damit sorgt sie für eine gute Innenluftqualität.
Welche Botschaft möchten Sie als Fachmann abschliessend in Bezug auf die Luftdichtheit vermitteln?
Ich denke, dass die Luftdichtheit oft als unbedeutendes technisches Detail betrachtet wird, obwohl sie tatsächlich unerlässlich ist – nicht nur aufgrund der augenfälligen energierelevanten Gründe, sondern auch für den Komfort und die Gesundheit der Gebäudebewohner. Unsere Massnahmen dienen der Verbesserung der Gebäudenachhaltigkeit und gewährleisten ein gesünderes Raumklima für die Benutzer, insbesondere Familien mit Kindern. Daher ist unsere Arbeit meiner Meinung nach sehr wichtig, da sie den Aspekt betrifft, der alle Akteure im Baugewerbe antreibt: das Wohlbefinden der Gebäudebewohner.