Unsere Mobilität verändert sich rasant. Mit dem Aufkommen neuer Technologien und der zunehmenden Tendenz, den Strassenverkehr in unterirdische Infrastrukturen zu verlagern, stellen sich unweigerlich Fragen zur Sicherheit.
Es können zwei wesentliche Treiber festgestellt werden: der Verkehr mit seiner kontinuierlichen Elektrifizierung und Automatisierung einerseits sowie die Infrastruktur mit ihrer steigenden Digitalisierung andererseits. Die Mobilität der Zukunft wird Infrastrukturen benötigen, welche die heutigen Betreiber und Planer vor grosse Herausforderungen stellen und das Verkehrssystem nachhaltig beeinflussen werden.
Elektrifizierung – werden Tunnel und Garagen gefährlicher?
Die Energiespeicherung bei Elektrofahrzeugen erfolgt typischerweise in Form von Lithium-Ionen-Batterien, die als Schlüsseltechnologie der Elektromobilität mittelfristig von unseren Strassen nicht mehr wegzudenken sind. Mit einem innovativen Experiment konnte das Forschungsteam im letzten Jahr nachweisen, dass brennende Elektrofahrzeugbatterien die Risikosituation in der unterirdischen Verkehrsinfrastruktur verändern können. Die Schadstoffanalysen deuteten insbesondere auf kritische Konzentrationen der Schwermetalle Kobalt, Mangan und Nickel hin. Bei konventionellen Fahrzeugbränden treten diese nicht auf. Weil davon ausgegangen werden kann, dass die bestehende Betriebs- und Sicherheitsausrüstung im Strassentunnel für die Bekämpfung dieser neuen Gefährdungen ausreichend ist, haben wir aus Risikoüberlegungen keine technischen Anpassungen empfohlen.
Unklare Folgewirkung in kleinen unterirdischen Verkehrsinfrastrukturen
Die gemessenen Schwermetallstäube sind kanzerogen und können aufgrund ihrer Persistenz zu grossräumigen Kontaminationen führen. Über mögliche Auswirkungen und Spätfolgen dieser Brandemissionen in der unterirdischen Verkehrsinfrastruktur konnten wir bislang noch keine abschliessende Antwort geben. Wir müssen aber davon ausgehen, dass die neuartigen Schadstoffe in Tiefgaragen oder Einstellhallen mit kleinem Raumvolumen zu nachhaltigen Beeinträchtigungen des Betriebs, der Infrastruktursicherheit oder der Umwelt führen können.
Versuchsreihe wird fortgeführt – gemeinsam mit der Empa
Um diese Wissenslücke schliessen zu können, hat A+W ein weiteres Forschungsprojekt initiiert: Gemeinsam mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und dem Versuchsstollen Hagerbach werden wir mögliche Schadstoffkontaminationen durch Elektrofahrzeugbrände mit wissenschaftlichen Batteriebrandversuchen analysieren und die Folgewirkungen in Infrastrukturen beschreiben. Ziel ist, angemessene technische und organisatorische Massnahmen zur Risikominimierung in unterirdischen Infrastrukturen empfehlen zu können.
Automatisierung – sind Infrastrukturbetreiber im Zugzwang?
Auch der grösste Verkehrsinfrastrukturbetreiber ist abhängig
Beim Klären zentraler Aspekte des automatisierten Fahrens ist die Schweiz von den internationalen Entwicklungen abhängig. Die Schweiz muss diese Entwicklungen sorgfältig beobachten und rechtzeitig die nötigen Vorkehrungen treffen, um die damit verbundenen Möglichkeiten zu nutzen. Das federführende Bundesamt für Strassen (ASTRA) sowie andere Bundesstellen haben dazu bereits verschiedene Aufgaben angepackt, wie etwa Forschung, Pilotversuche, Anpassung des Strassenverkehrsrechts und Mitarbeit in internationalen Gremien. Ein wichtiger Meilenstein ist zudem die Umsetzung des Projekts Systemarchitektur Schweiz (SA-CH): Das Projekt harmonisiert und standardisiert die Betriebs- und Sicherheitsausrüstungen auf den Nationalstrassen. Damit schafft es eine der zentralen technischen Voraussetzungen für automatisierte Mobilität.
Digitalisierung – werden Verkehrsinfrastrukturen verletzlicher?
Die Gewährleistung einer ausreichenden Sicherheit ist eine zentrale Herausforderung für alle Betreiber von Verkehrsinfrastrukturen. Das ASTRA misst dieser Thematik einen sehr grossen Stellenwert bei. So hat es beispielsweise das Thema Tunnelsicherheit in den letzten Jahren gründlich aufgearbeitet und verschiedene Sicherheitsmassnahmen formuliert.
Sicherheitsbedürfnis als Treiber der Digitalisierung
Auf dieser Grundlage wurde die technische Ausrüstung der schweizerischen Strassentunnel in den letzten Jahren vor allem unter dem Aspekt „Sicherheit“ geplant, wobei immer mehr auch digitale Lösungen eingesetzt wurden (Bsp. Video- und Kommunikationstechnologie). So bindet man heutzutage praktisch alle technischen Anlagen auf Autobahnen in übergeordnete Leitsysteme ein, worüber sich dann unzählige Verkehrssteuerungs- und Überwachungsaufgaben umsetzen lassen. Was als Antwort auf ein ernstzunehmendes Sicherheitsbedürfnis gedacht war, hat mittlerweile aber zu einer starken Zunahme der Systemkomplexität geführt und wirft mitunter ständig neue Fragen auf. Beobachtungen und Erfahrungen zeigen, dass die technischen Anforderungen an Verkehrssysteme und deren Digitalisierung selten hinterfragt werden. Dadurch verursachen sie mehr Aufwand in der Projektierung, aber auch im späteren Betrieb und Unterhalt. Hinzu kommen die immer kürzer werdenden Lebenszyklen der digitalen Systeme, sodass Erneuerungszyklen häufiger anfallen und vermehrt Wechselwirkungen zu anderen Systemen hervorrufen. Beispiele dafür sind Steuerungen und ihre Umsysteme.
Komplexität als Treiber der Verletzlichkeit
Das aktuell rund 72‘000 km lange Schweizer Strassennetz hat eine grosse gesellschaftliche Bedeutung, da es ausserordentlich starke Interdependenzen mit anderen Lebensbereichen bildet. Ausfälle technischer Systeme aufgrund disruptiver Ereignisse können somit zu gravierenden Schäden für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft führen. Besonders verletzliche Elemente wie Tunnelleitsysteme oder Verkehrsmanagementzentralen müssen gegenüber den ursächlichen Ereignissen ausreichend geschützt oder widerstandsfähiger gemacht werden. Nur so ist ein ausreichender Schutz dieser kritischen Infrastruktur gewährleistet.
Verschlankungskur aufgrund fundierter Anlagenkenntnis
A+W vertritt die Meinung, dass Betreiber von komplexen und zunehmend digitalisierten Verkehrsinfrastrukturen ihre Systeme in periodischen Abständen hinterfragen und hinsichtlich eines Verschlankungspotenzials untersuchen sollten. Eine allfällige Reduktion oder Vereinfachung der Anlagen muss jedoch immer unter Beachtung der vorgegebenen Schutzziele erfolgen. Im Idealfall mittels einer spezifischen Risikoanalyse. Das Ziel sollte dabei stets sein, besonders komplexitätstreibende und aufwändige technische Anlagen, die gleichzeitig einen nur unwesentlichen Beitrag zur Risikominderung leisten, zu identifizieren.