Strommangellage – eine Empfehlung für den Ernstfall

Droht auch im nächsten Winter 2023/2024 eine Strom- bzw. eine Energiemangellage? Auch wenn wir es uns aktuell nicht vorstellen können, ist diesem Szenario Beachtung zu schenken. Um im Fall der Fälle bestens gewappnet zu sein, finden Schweizer Unternehmen und Grossverbraucher im Folgenden eine Vorgehensweise, wie sie sich kurzfristig optimal darauf vorbereiten und ihren Energieverbrauch senken können.

Sensibilisierung der Unternehmen und Grossverbraucher

Fakt ist, dass die Schweiz gut durch den letzten Winter 2022/2023 gekommen ist. Die milden Temperaturen haben sicher einen Beitrag dazu geleistet. Die aktuelle Situation in diesem Jahr ist entspannter. Die Stauseen in der Schweiz und Gasspeicher in Europa sind gut gefüllt und die französischen AKW sind am Netz. Aber sich nur darauf zu verlassen, wäre falsch. Um für das Szenario einer potenziellen Strom- bzw. Energiemangellage im nächsten Winter und zukünftig gut vorbereitet zu sein, können Vorkehrungen getroffen werden.

Jeder ist sich selbst der Nächste – und im Krisenfall auf sich allein gestellt.

Gerade Grossverbraucher sollten sich dringend mit dem Eventualereignis und der damit verbundenen Kontingentierung befassen. Bevor es dazu kommt, tritt zunächst ein stufenweises Vorgehen von Einsparappellen über Verbrauchseinschränkungen bis hin zu Verboten in Kraft. Wenn dadurch aber das Angebot und die Nachfrage nach elektrischer Energie nicht ins Gleichgewicht gebracht werden können, wird die Stromrationierung ausgelöst. Die Verpflichtung, eine gewisse Menge Strom einzusparen, richtet sich an Strombezüger, welche mehr als 100 000 kWh pro Jahr verbrauchen. Auf Basis eines Referenzverbrauchs werden Einsparvorgaben in der Grössenordnung von 5 bis 20 % eingefordert. Die letzte Stufe wären zyklische Netzabschaltungen.

«Die effektivste, kurzfristig rasch umsetzbare und ausserdem wirtschaftliche Massnahme zur Vermeidung einer Energiemangellage ist die energetische Betriebsoptimierung.»

Daniel Imgrueth
Bereichsleiter Energieeffizienz bei Schnyder Ingenieure

Ein Leitfaden für Unternehmen

Wie kann sich nun ein Unternehmen auf eine Strommangellage vorbereiten? Als Fachexpert:innen und Energieberatende durften wir bereits im letzten Herbst und Winter 2022/2023 Unternehmen bei Vorbereitungsmassnahmen begleiten. Daniel Imgrüth berichtet hier über seine Erfahrungen und «Best Practice».

Ein bewährtes Vorgehen ist die systematische Analyse des Stromverbrauchs und der Geschäftsprozesse, um darauf aufbauend einen Massnahmenplan zu erarbeiten. Dabei stehen unter anderem folgende Fragen im Zentrum:

  • Wie kann der Kernprozess aufrechterhalten werden und wie hoch ist der Aufwand?
  • Wie lange darf ein kritisches Anlageteil bzw. ein Prozess ausfallen?
  • Welche Massnahmen würden priorisiert und in welcher Reihenfolge ausgelöst werden?
  • Wie hoch wäre das Schadensausmass, wenn ein kritischer Stromverbraucher ausfällt?

Entscheidend ist das Wissen über den Stromverbrauch der wichtigsten Anlagen und Anlageteile im Unternehmen. Ein Energieverbrauchszähler misst die Summe des Stroms der angeschlossenen Verbraucher. Diese müssen identifiziert werden. Es geht darum, den Stromverbrauch im laufenden Betrieb reduzieren zu können, ohne dabei den Kernprozess zu beeinträchtigen.

Fachexperten bei der Ausarbeitung eines Massnahmenplans

Abhilfe schaffen durch erfolgreiches Energiedatenmonitoring

Hilfreich bei der Analyse ist ein Energiedatenmonitoring, welches kontinuierlich den Energieverbrauch der Bezüger misst und aufzeigt. Darauf basierend können ein Energieflussdiagramm skizziert und weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Sind nicht alle Anlageteile gemessen bzw. messbar, wird der Energieverbrauch rechnerisch ermittelt. Daraufhin werden die Stromverbraucher identifiziert, welche zum Kernprozess gehören und daher schützenswert sind. Konkret: Diese Stromverbraucher und die dahinterliegenden Geschäftsprozesse müssen bei einer möglichen Kontingentierung – oder allenfalls einem Unterbruch der Stromzufuhr – weiterbetrieben und daher priorisiert werden. Andere Anlageteile sind weniger kritisch in der Beurteilung des Schadenausmasses und könnten reduziert betrieben oder ausgeschalten werden. Mit dieser Betrachtung kann eingeschätzt werden, wieviel Prozent an Strom mit entsprechenden Massnahmen bei welchen Stromverbrauchern eingespart werden kann.

Eine Risikobeurteilung sorgt für Sicherheit im Krisenfall

Ergänzend dazu können in einer Risikomatrix die Stromverbraucher und Betriebsprozesse verortet werden, womit die Basis geschaffen wird, um den Massnahmenplan hinsichtlich der Kontingentierungsstufen zu erarbeiten. Neben den technisch umsetzbaren Massnahmen sind auch betrieblich relevante Aspekte wie Anpassung von Arbeitsprozessen zu diskutieren, Auswirkungen von Stromunterbrechungen auf sicherheitsrelevante Elemente zu berücksichtigen sowie die Zuständigkeiten und Informationsflüsse zu definieren.

«Analysieren Sie im Unternehmen die energierelevante Infrastruktur und die wichtigen Geschäftsprozesse, um auf die Massnahmen der Verbrauchslenkung vorbereitet zu sein.»

Daniel Imgrueth
Bereichsleiter Energieeffizienz bei Schnyder Ingenieure

Ausblick auf lang- und mittelfristige Massnahmen

Das oben beschriebene Vorgehen fokussiert sich auf den «Notfallplan» für die kurzfristige Umsetzung. Parallel dazu ist es vorteilhaft, sich Gedanken hinsichtlich mittel- und langfristiger Massnahmen zu machen. Um weniger abhängig vom Stromnetz zu sein, gibt es die Möglichkeit, den Autarkiegrad bzw. die Eigenproduktion erneuerbarer Energie zu erhöhen. Die Produktion von Solarstrom auf dem eigenen Dach und an der Fassade in Verbindung mit einem Batteriespeicher leistet einen gewissen Beitrag, sodass die Mangellage gar nicht erst eintritt bzw. das Unternehmen von der Kontingentierung nicht betroffen wäre. Ein Mitnahmeeffekt dabei ist, dass der gemessene Stromverbrauch am Werkszähler, welcher über 100 000 kWh liegt (damit fällt man in die Kategorie der Grossverbraucher), abnimmt und so möglicherweise unter den Grenzwert fällt. Auch die energetische Betriebsoptimierung ist hierfür eine erfolgsversprechende Massnahme und ausserdem eine sehr wirtschaftliche Methode, um auch den gestiegenen Energiepreisen kurzfristig zu begegnen.

«Solarstromanlagen auf und an Gebäuden sind sinnvoll zur Bewältigung der Strommangellage, dienen der Vorbildfunktion und können auch wirtschaftlich betrieben werden.»

Stefan Brändle
Teamleiter Solarenergie

Eine Zusammenfassung unserer Dienstleistungen finden Sie auch im Dokument Strommangellage: Planung für den Ernstfall.

Weitere Informationen erhalten sie ausserdem bei OSTRAL, der Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen. Sie untersteht der wirtschaftlichen Landesversorgung des Bundes und wird auf deren Anweisung aktiv, wenn eine Strommangellage eintritt.