Bei der Entwicklung, Planung und Umsetzung von thermischen Verbünden ist die Frage nach der optimalen Abwärmenutzung immer wieder im Fokus. Sie ist oftmals integraler Bestandteil des Systems und in Fachkreisen gerne ein Auslöser für interessante Diskussionen.
Sprechen wir bei Abwärme von «Abfallprodukt» oder «Kältebedarf»?
Industrielle Prozesse oder Rechenzentren haben meist einen hohen Kältebedarf, woraus oft ein Abwärmeüberschuss resultiert. Dieser sollte aus energetischer Sicht auf möglichst tiefem Temperaturniveau und unter minimalem Einsatz von Exergie abgeführt werden. Betriebs- und Versorgungssicherheit haben dabei oberste Priorität. Für die Betreiber*innen eines thermischen Netzes stellt sich dabei die Frage, ob die anfallende Abwärme sinnvoll genutzt, eingebunden oder gespeichert werden kann. Dem gegenüber steht aus Sicht des Abwärmelieferanten ein Kältebedarf, welcher garantiert und jederzeit geliefert werden muss. Entscheidend hierfür ist die Wahl der Systemgrenzen sowie Randbedingungen und Anforderungen an die Systeme, insbesondere auf der Abnehmerseite.
«Kann anfallende Abwärme genutzt bzw. gespeichert werden oder sprechen wir von einem klassischen Kältebedarf? Diese komplexe Fragestellung gilt es projektspezifisch zu untersuchen.»
Nicht das Angebot allein entscheidet, ob Abwärme wertvoll ist, sondern auch die Nachfrageseite.
Der Gedanke, aber auch die Zielsetzung, dass sämtliche Abwärme genutzt werden soll, ist im Ansatz vernünftig, jedoch energetisch und technisch nicht immer sinnvoll oder möglich. Dabei muss unter anderem auch der erforderliche Exergieeintrag berücksichtigt werden, um Abwärme nutzbar zu machen. Es gilt somit, die «Wertigkeit» von Abwärme zu beurteilen und dabei verschiedene Parameter (intern) wie auch Randbedingungen (extern) zu berücksichtigen. Zu den internen Parametern gehören jene, welche vom Abwärmelieferanten beeinflusst bzw. vorgegeben werden, wie z.B. das Temperaturniveau, Lastprofile und weitere zeitabhängige Faktoren wie die Verfügbarkeiten. Die externen Randbedingungen beschreiben die Bedarfsseite. Hier sind ebenfalls Temperaturniveaus und Lastprofile entscheidend, aber auch mögliche thermische Speicher, beispielsweise Erdspeicher, welche eine saisonale Verlagerung von Energie ermöglichen. Das Problem ist, dass die Parameter von Abwärmelieferant und Bedarfsseite häufig zeitlich nicht optimal aufeinander abgestimmt werden können und so die Nutzung eingeschränkt wird.
«Auf die Idee, in einer modernen Wüstenstadt sämtliche anfallende Abwärme aus der Kühlung zu speichern oder gar zu verkaufen, kommt schliesslich auch niemand.»
Energiekreisläufe sind vor Ort zu schliessen
Entscheidend für einen gemeinsamen Wärmeverbund ist die Tatsache, ob Abwärme direkt oder indirekt über thermische Speicher zu einem beliebigen Zeitpunkt sinnvoll genutzt werden kann. Auf der Lieferantenseite ist entscheidend, wie hoch der zusätzliche Energieaufwand und somit die Rückkühlkosten für die Abfuhr der Abwärme sind. Bei entsprechendem Bedarfsprofil kann es allenfalls auch Sinn machen, Abwärme dezentral zu veredeln und so Nutzwärme in ein Fernwärmenetz einzuspeisen. Aus Sicht des Abnehmers darf durch die Aufnahme von Abwärme kein Rückkühlproblem entstehen. Im Extremfall, wenn diese Abwärme nicht genutzt oder gespeichert werden kann, muss die Wärme unter Einsatz von Exergie abgeführt werden. Dies mit entsprechenden Kostenfolgen für den Betreiber des Wärmeverbunds und entgegen dem Grundsatz, Energiekreisläufe vor Ort zu schliessen.
Elastisches Preismodell als Lösung des Problems?
Für die Beantwortung eingangs gestellter Frage sind also Angebot und Nachfrage entscheidend. Dies sowohl für ökonomische Erfolgsfaktoren, insbesondere aber auch bei energetischer Betrachtungsweise. Als mögliche Lösung daraus resultiert der Ansatz eines elastischen Preismodells für die Abnahme von Abwärme, mit welchem auf die saisonale Veränderung eingegangen werden kann. So kann es sein, dass im Winter für die Abwärme bezahlt wird, in einer Übergangszeit Abwärme ohne Kostenfolge ausgetauscht wird und im Sommer eine Kältelieferung vergütet werden muss.
Eine allgemein gültige Lösung oder pauschale Antwort auf diese im Detail komplexe Fragestellung gibt es aus heutiger Sicht nicht. Jeder Fall muss individuell und gesamtheitlich betrachtet und beurteilt werden, dabei unterstützen wir Sie gerne.
Bei Fragen zur Arealvernetzung, zu Ihrem Projekt oder Anregungen zum Thema wenden Sie sich gerne direkt an Marc Häusermann.