zB No 94 - Die sonnige Zukunft der Solarfassade

Photovoltaik gewinnt an Höhe und Hochhäuser eignen sich wortwörtlich herausragend für die Nutzung von Sonnenenergie. Auf grossen unverschatteten Flächen produzieren moderne Solarfassaden genau dort und dann Strom, wo und wann er übermässig benötigt wird. Die Gesellschaft, die Umwelt und auch das neue Stromgesetz drängen darauf, dieses Potenzial auszuschöpfen. Die Fassadenbegrünung ist dabei sehr hilfreich.

Architektur mit Ertrag

Eine Solarfassade hält etwa 40 bis 50 Jahre, ist aber je nach Konstellation bereits nach 15 bis 30 Jahren amortisiert. Auch ohne Gebot seitens Gesetz oder Labels liegt allein der wirtschaftliche Vorteil auf der Hand. Dank klugem PV-Engineering können beispielsweise Solaraktive Vordächer mit 30–40 ° Neigung den Ertrag der Panels erhöhen und mit richtig dimensionierter Ausladung gleichzeitig den äusseren Sonnenschutz erübrigen. Dabei kann der energetische Leistungsauftrag einer Fassade durchaus wohlgefällig in der architektonischen Ästhetik aufgehen. Dazu tragen die wachsende Produktvielfalt und die enge Zusammenarbeit zwischen Architektur und Engineering bei. Immer mehr Architekten und Architektinnen stehen dem Thema offen und ambitioniert gegenüber.

Präzision mit Simulation

Sonnenstrahlen lassen sich simulieren. Eine 3D-Simulation zeigt im Wechselspiel von Einstrahlung und Beschattung, welche Leistungen zu erwarten sind und wo Handlungsbedarf besteht. Wenn beispielsweise ein dünnes Aufhängungsseil ein Modul leicht beschattet, kann daraus schnell eine Ertragsminderung von 15–20 % resultieren. Es kann die Lebensdauer des Moduls senken und gar das Brandrisiko erhöhen. Gute Simulationsgrundlagen und die enge Zusammenarbeit zwischen Architektur, Fassadenplanung, Brandschutz, Bauphysik und PV-Engineering führen immer zu guten 
Lösungen. 

PV-Engineering mit Umsicht

Eine Solarfassade ist ein Engineering-Projekt mit vielen Schnitt-stellen. Alle Planungsinstanzen auf Seiten der Architektur und Fach-
gewerke brauchen Daten, mit denen sie arbeiten können, im Idealfall eingebunden in einen BIM-Prozess. Das PV-Engineering muss die Anforderungen im Einzelnen kennen und mit spezifischen Planungsunterlagen sicherstellen, dass die Expertisen der Architektur- über die Elektro- bis zur Brandschutzplanung effizient ineinandergreifen. Es gibt planerisch viel zu bedenken: Eis- und Schneebildung, rückseitige Kondensation, Fleckenbildung auf Verkleidungen, sichere Befestigungen, Vogelschutz, Blitzschutz, Blendeinwirkung in nahe Gebäude oder gar Fahrzeuge. Aber alles ist machbar.

Brandschutz mit Nachweis

Bei Hochhäusern schreibt die Brandschutzverordnung vor, dass die Fassade keine brennbaren Materialien enthalten darf und dass beispielsweise Unterkonstruktionen einen höheren Schmelzpunkt aufweisen müssen. Bei Gebäuden bis 30 m gilt das Schutzziel, dass sich der Brand bis zum Eingreifen der Feuerwehr höchstens über zwei Geschosse oberhalb des Brandgeschosses ausbreiten darf. Der Nachweis über die Einhaltung der Schutzziele kann gemäss einem Übergangsdokument von Swissolar oder mittels konkreter Brandversuche erbracht werden. Regulatorisch sind noch nicht alle Details festgelegt, aber dem Siegeszug der Solarfassade steht heute nichts mehr im Weg.

Begrünung mit Wirkung

Jeder Solarfassade sollten idealerweise Fassadenbegrünungen zur Seite stehen – aus Sicht des Brandschutzes am besten bis zu max. 11 Meter Höhe. Sie bringen nicht nur willkommene Abkühlung im Sommer, sondern fördern auch die Biodiversität, reinigen die Luft, produzieren Sauerstoff, mindern die Schallausbreitung, halten Regenwasser zurück und machen den Menschen Freude. Durch Verdunsten kühlen sie auch die höher liegenden PV-Anlagen und optimieren so die Stromproduktion. Unten, wo die Solarmodule ohnehin mehr im Schatten stehen, bringt die bodengebundene Fassadenbegrünung grösseren Nutzen. So schafft sie eine angenehme Aufenthaltsqualität und vernetzt die Lebensräume von Tieren und Pflanzen. 

Architekten-Statement

André Schmid über die Potenziale des Einsatzes von PV-Anlagen

«Oft stehen wir vor der Herausforderung, die Gebäudehülle nicht nur als rein ästhetisches Element, sondern auch als multifunktionalen Bestandteil des Gebäudes zu begreifen. Ob Photovoltaik, Fassadenbegrünung oder Hitzeschutz – wir sollten die Potenziale dieser Technologien nutzen und müssen dabei teilweise umdenken.»

André Schmid
Architekt & Associate bei pool Architekten, Zürich

Heute sind wir in der Lage, Photovoltaik nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch einzusetzen. Besonders im städtischen Umfeld oder bei denkmalgeschützten Gebäuden besteht die Herausforderung darin, Baukultur und Nachhaltigkeit zu vereinen. Moderne Photovoltaikfassaden müssen mittlerweile nicht mehr zwingend «technisch» aussehen: Zellen und die früher silbrigen Verbindungsadern sind mittlerweile fast unsichtbar, die Elemente werden günstiger und vielfältiger in Form und Farbe. Glasoberflächen können strukturiert und farbig gestaltet werden, und es lassen sich sogar individuelle Muster realisieren. 

Fassaden erhalten oft ihre Tiefe und ihren Reichtum durch eine gewisse Tektonik. Durch geschickte Anordnung der Zellen, Randabstände und Bypässe können auch Solarfassaden eine gewisse gestalterische Tiefe erhalten. Wir Architekt:innen haben die Möglichkeit, Gebäude ästhetisch anspruchsvoll und gleichzeitig nachhaltig zu gestalten. In diesem Zusammenspiel liegt eine grosse Chance, die Baukultur unserer Zeit zu prägen und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.  

Unsere Expert:innen

Moritz Meier

Moritz Meier
Teamleiter Solarenergie
A+W Zürich

Laura Germann

Laura Germann
Projektleiterin Stadtgrün
A+W Zürich

Stephan Diethelm

Stephan Diethelm
Bereichsleiter Brandschutz
A+W Zürich

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